Fritz Zingg ist nicht nur der Allround-Problemlöser auf der Geschäftsstelle, sondern auch «das Gedächtnis» des Blauen Kreuzes. Historisches über die Organisation kann er genauso liefern wie Dokumente, die verloren geglaubt waren. Buchhalter, EDV-Supporter, Fachmann für Infrastruktur, Verantwortlicher für Administration und IT – die Arbeitsbereiche von Fritz Zingg waren vielfältig und abwechslungsreich. Zu seinem Abschied kurz vor Weihnachten wurden seine ausserordentliche Vielseitigkeit und sein grosses Engagement mit einem schönen Fest gebührend gewürdigt.
Wann genau hast du angefangen, beim Blauen Kreuz zu arbeiten und wie war das Blaue Kreuz Schweiz damals aufgestellt? Wie viele Personen arbeiteten auf der Geschäftsstelle?
Fritz Zingg: Am 1. August 1989 war mein erster Arbeitstag im Blaukreuz-Verlag am Lindenrain 5 in Bern. Im Verlag waren damals 14 Mitarbeitende tätig, die meisten mit einer 100 %-Stelle.
Der damalige Verlagsleiter war Edi Müller. Als er 23 Jahren alt war, erhielt er den Auftrag, aus einem Schriftenvertrieb einen Buchverlag aufzubauen. Edi war bis zu seiner Pension Verlagsleiter, also mehr als 40 Jahre. Er war also massgeblich für den Aufbau und die Organisation verantwortlich. Ihm stand eine Verlagskommission zur Seite.
Die Verlagsmitarbeitenden waren zuständig für die Buchproduktion, Versandbuchhandlung und Zeitschriftenredaktion. Auch Anlässe wie die Delegiertenversammlung wurde durch die Verlagsmitarbeitenden organisiert.
Die heutige Geschäftsstelle hiess damals Zentralsekretariat, bestehend aus dem Zentralsekretär Heiner Studer und Hansruedi Seiler als Stellvertreter plus eine 50 %-Sekretariatsstelle.
Vom Bücherverlag zum IT-Mitarbeiter – was sind die grössten Unterschiede, wie wurden zum Beispiel früher Versände koordiniert? Haben die Technologien einige Arbeiten von früher vereinfacht und verbessert? Wie hast du die Veränderungen wahrgenommen?
Die Versände, und es waren damals viele und in grossem Umfang, waren bestens organisiert. Bei meinem Stellenantritt bestand die Technik aus Telefax und IBM-Kugelkopfschreibmaschinen.
Ich als Buchhalter hatte eine RUF-Buchhaltungsmaschine. Die Kontenblätter waren aus Karton und mit einem Magnetstreifen versehen.
Die Adressen waren auf Metallplatten aus Zink geprägt und in Karteischubladen aufbewahrt. Diese Schubladen waren recht schwer und erforderten sorgfältige Handhabung, insbesondere wenn die Adressen mit einer Prägemaschine direkt auf die Zeitschriften gedruckt wurden.
Ich habe meinen Beruf vom Schreiner zum Buchhalter gewechselt, da mich die aufkommende Computerentwicklung faszinierte. Mein Interesse ging so weit, dass ich privat oft nächtelang mit dem Programmieren verbrachte. Nach einer anderthalbjährigen Ausbildung in einer Handelsschule suchte ich einen Betrieb, in dem ich den Einzug ins Computerzeitalter mitgestalten konnte. Da meine Schwester Margrit im Blaukreuz-Verlag die Lehre zur Kauffrau absolvierte und meine Schwester Ruth für eine kurze Zeit die Buchhaltung geführt hat, war mir der Verlag schon bekannt.
In meinem dritten Anstellungsjahr im Verlag erhielt ich den Auftrag, die Büroeinrichtungen zu modernisieren. Besuche an Computermessen und die Evaluation eines Verlags- und Buchhaltungsprogrammes waren dann die Folge.
Was waren grosse Herausforderungen von diesen technologischen oder auch gesellschaftlichen Veränderungen mit der Zeit?
Der Übergang ins Computerzeitalter war für langjährige Schreibmaschinen-Nutzende sicherlich ein grosser Schritt. In meiner Rolle als Schulungsverantwortlicher konnte ich dabei den Puls der Teilnehmenden fühlen und die Umstellung gezielt und angemessen gestalten.
Auf welches Projekt, welchen Meilenstein bist du rückblickend stolz?
Ich habe fast 20 Jahre lang die Buchhaltung vom Verlag, vom Zentralsekretariat und 35 Jahre lang jene der Chalet-Bovet-Stiftung geführt und dazu noch die Informatik-Infrastruktur aufgebaut. Auf diese Kombination darf ich mit Stolz zurückblicken.
Was hat dich bei Kolleginnen und Kollegen besonders nachhaltig beeindruckt? Oder welche Entwicklung beim Blauen Kreuz hat sich positiv ausgewirkt?
Die vielen Mitarbeitenden, die schweizweit mit grossem Einsatz bei Blauen Kreuz arbeiten und oft mehr leisten als «Dienst nach Vorschrift», weil sie ein grosses Herz für die Betroffenen haben.
Was hat dich persönlich durch deine tägliche Arbeit und deine Rolle beim Blauen Kreuz besonders geprägt?
Mein Blick auf Suchtmittel zeigt eine interessante Entwicklung, die gesellschaftliche Normen und persönliche Erfahrungen miteinander verbindet. Während mein Elternhaus abstinent geprägt war und Alkohol keine Rolle spielte, habe ich durch meine berufliche Tätigkeit auf dem Bau – damals war ich ja noch Schreiner – eine andere Realität kennengelernt. Das tägliche Feierabendbier galt lange Zeit als «normal», fast schon als Bestandteil der Baukultur. Heute wird auch auf dem Bau zunehmend auf Alkohol verzichtet, sei es aus gesundheitlichen, oder vor allem aus sicherheitsrelevanten Gründen. Das finde ich sehr positiv.
Was hat dir am meisten Spass gemacht?
Das sind tatsächlich die Tätigkeiten, die ich oben bereits genannt habe: Die Buchhaltungen des Verlags, des Zentralsekretariats und der Chalet-Bovet-Stiftung zu führen und daneben die Informatik-Infrastruktur aufzubauen – all das hat mich sehr gefordert, mir aber auch sehr viel Spass gemacht.
Welche Rolle spielten Mitglieder und Spendende in deiner täglichen Arbeit?
Für mich ist der Kontakt zu Mitgliedern und Spendenden sehr wichtig. Wir arbeiten hier im Auftrag der Mitglieder und erhalten die notwendigen finanziellen Zuwendungen und Bestätigung durch die Spendenden.
Was wirst du am meisten vermissen, wenn du im wohlverdienten Ruhestand bist?
Das Lindenrain-Team steht seit vielen Jahren für eine fast familiäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen. Die Vielseitigkeit der Arbeit, die Menschen und die angenehme Arbeitsatmosphäre werden mir in sehr guter Erinnerung bleiben.
Welche Botschaft oder welchen Rat gibst du deinen Kolleginnen und Kollegen sowie zukünftigen Mitarbeitenden mit auf den Weg?
Ganz gleich, welche neuen Herausforderungen auf euch zukommen – bewahrt euch den starken Teamgeist!
Du bist ein sehr vielseitiger Mensch mit vielen Begabungen und du warst auch neben deinem Beruf immer sehr aktiv. Welche Tätigkeiten wirst du im (Un-)Ruhestand vermehrt ausüben?
Während der warmen Jahreszeit werde ich zusammen mit meiner Frau mehr Zeit auf unserem kleinen Segelboot auf dem Neuenburgersee verbringen. Zudem werde ich häufiger (wieder) die Gitarre zur Hand nehmen und Musik machen. Wir wohnen in einem fast 200-jährigen Bauernhaus, um dessen Unterhalt ich mich wieder mehr kümmern will – da kann ich meine handwerklichen Fähigkeiten einsetzen. Und nicht zuletzt will ich wieder mehr draussen sein und die Natur geniessen. Auf all das freue ich mich sehr!